Verhaltensbedingte Kündigung:
Äußerungen in einer privaten Chat-Gruppe können den Job kosten
Ein ArbN, der sich in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen äußert, kann sich gegen eine dies zum Anlass nehmende außerordentliche Kündigung nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen.
Der ArbN war seit 2014 Mitglied einer Chatgruppe, die zusätzlich zu ihm aus fünf anderen ArbN und einem ehemaligen Kollegen bestand. Alle Gruppenmitglieder waren „langjährig befreundet“, zwei von ihnen zudem miteinander verwandt. Neben rein privaten Themen äußerte sich der ArbN ‒ wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder ‒ in beleidigender und menschenverachtender Weise unter anderem über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Der ArbG bekam dies zufällig Kenntnis mit und kündigte ihm fristlos. Arbeitsgericht und LAG erachteten die Kündigung für unwirksam.
Das BAG (24.8.23, 2 AZR 17/23) hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das LAG zurück, weil das Berufungsgericht (LAG Niedersachsen 19.12.22, 15 Sa 284/22) rechtsfehlerhaft eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des ArbN betreffend der ihm vorgeworfenen Äußerungen angenommen und das Vorliegen eines Kündigungsgrunds verneint habe.
Eine Vertraulichkeitserwartung sei nur berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum sei abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Seien Gegenstand der Nachrichten beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, müsse besonders dargelegt werden, warum der ArbN berechtigt erwarten könne, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.
Nachdem die Sache an das LAG Niedersachsen zurückverwiesen wurde, wird es dem ArbN Gelegenheit für die ihm obliegende Darlegung geben, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben soll.
Praxistipp:
Um nicht ohne Not eine in der Regel außerordentliche fristlos Kündigung zu riskieren, sind ArbN gut beraten, auch in privaten Chatgruppen Zurückhaltung zu üben.